EDV
- in der Studentenausbildung --
ein Beitrag der Pharmazeutischen
Chemie
In
Folge der Diskussionen um die neue Approbationsordnung Approbationsordnung für
Apotheker ist häufig die Forderung nach Ausbildung in EDV laut geworden.
Gleichzeitig wurde immer wieder Unverständnis über den Umfang der praktischen
Ausbildung in Chemie geäußert. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen,
möchte ich meine Position vorab festhalten. Ich bin überzeugt, wer
nichts von Chemie versteht, kann auch nichts von Arzneimitteln verstehen und
die Chemie ist nur in der bewährten Form von Theorie und Praxis, d.h.
Vorlesungen, Seminaren, Selbststudium und Praktikum erlernbar.
Trotzdem
ist es von Zeit zu Zeit notwendig, die Praktika zu
"entrümpeln"
und auf neue Fragen passend Antworten zu finden. Daher möchte ich Ihnen heute
über unsere Bemühungen[1],[2] berichten, Visualisierungen
chemischer Strukturen am Personalcomputer in die Ausbildung der
Pharmaziestudenten zu integrieren. Dank der CIP - Programme ("Computer
Investitions Programm") ist der Fachbereich Chemie Hamburg
ausreichend PC's mit guter Ausstattung versorgt. Auch waren studentische
Hilfskraftmittel für die Betreuung von CIP-Pool Rechnern im Rahmen eines
'Soforthilfeprogramms' des Senats bereitgestellt worden.
Die
Softwareausstattung hinkt jedoch leider, wegen "chronischer Armut"
der Universität und den Beschaffungsbedingungen, erheblich hinterher. Daher
mußten wir auf eine "Shareware" - Version der Programme Programme
CHEMICAL 3.1 für den Aufbau und CHEMVIEW 2.0 für die Animation von Molekülen
sowie CRYSTAL 1.0, das in der Lage ist, Kristallstrukturen am Rechner zu
simulieren, ausweichen.
(Copyright
aller Programme L.Puhl).
Die
Ergebnisse können somit verständlicherweise nicht an die Qualität in der
Darstellung von teuren kommerziellen Programmen heranreichen. Trotzdem bin ich
den Fällen, in denen die Struktur des Arzneistoffs bekannt ist, immer wieder
erstaunt, wie gut dieses Programm sie mit seinen implementierten einfachen
chemischen Grundtatsachen wiedergibt.
Im
ersten Fachsemester konnte eine "theoretische Einführung in allgemeiner
und anorganischer Chemie unter Einschluß von praktischen Übungen zur
Computersimulation" angeboten werden.
Neben
dieser Veranstaltung haben dann die Studentischen Hilfskräfte noch betreute
Übungszeiten mit freier Beschäftigung mit den Programmen angeboten, die auch
angenommen wurden.
Weiterhin
setzen wir die Programme im dritten Fachsemester Pharmazie ein, um
Arzneistoffe, auch komplexerer Art, am Rechner konstruieren zu lassen. Den
Studenten wurde angeboten statt einer Synthese ein Molekül am Rechner zu erstellen.
Erwartet wurde die Abgabe des Moleküls auf Diskette, eine Dokumentation des
Weges, der Probleme und des Zeitbedarfs. Zusätzlich wurde eine Meinungsäußerung
(auf Wunsch anonym) erbeten.
Die
Auswertung der Protokolle ergab, daß die Aufgabe von allen grundsätzlich positiv beurteilt wurde.
("hat Spaß gemacht.."; "..verbessert die
Vorstellungskraft"; "..Einstieg in EDV"). Die Studenten des
dritten Fachsemester zeigten eine sehr gut Akzeptanz des Angebotes.
In
der Regel werden als Kritik 'leistungsfähigere' Programme, z.B. mit 'dithering'
(fließende Schattierung) gewünscht. Interessant ist, daß bis auf einen Fall
("..ist anzunehmen, daß unser Beruf später eher Computerkenntnisse als
präparatives Arbeiten erfordert.") alle übrigen Teilnehmer nicht der Meinung waren, daß
"Computerpräparate" das praktische Arbeiten ersetzen können
sondern nur ergänzen. Zumindest unseren Studenten ist also der Stellenwert der
organischen Chemie für das Verständnis von Arzneimitteln eingängig.
Das
erste Fachsemester hat sich in erheblich geringerer Zahl ('Neulingsfurcht'?)
geäußert. Gewünscht werden eine intensivere Einführung und mehr Zeit für die
Arbeiten am Rechner. Einige schlagen sogar vor, das Seminar vollständig mit dem
Computer zu gestalten.
Welchen
Nutzen messe ich dem Einsatz von Rechnern für die Ausbildung im meinem Fach zu
?
Ein
immer wieder schwieriges Problem ist Studenten, zumal Anfängern, klar zu
machen, wie groß der Unterschied zwischen dem realen Molekül und der
gewohnten, oft auch noch nachlässigen, (z.B. wird auf die Winkelung einer
Kohlenstoffkette meist keine Rücksicht genommen), Schreibweise auf dem Papier
ist. Dabei erweist sich die räumliche Gestalt für die Wirkungen als
Arzneistoff oft als entscheidend.
Welcher
in dieser Betrachtungsweise ungeübte Betrachter einer gezeichneten Darstellung
z.B. des Morphins kann auf den ersten Blick erkennen, daß das Molekül fast
'kugelförmig' ist ?
Bevor
man sich jedoch derart komplexen Molekülen zuwendet, sollte man seine
Fähigkeiten zuerst an einfachen Modellen schulen. Dazu dienen unsrere
'Vorübungen'. Nach meinem Eindruck machen solche Darstellungen die Chemie für
Studenten viel anschaulicher.
Gleichzeitig
sind damit auch Fragen wie z.B.: ' Warum wird das Wassermolekül gewinkelt und
nicht linear wie das Kohlendioxid dargestellt ?' zu beantworten.
Zu
bedenken ist auch, daß das Programm CHEMICAL die Moleküle in Bewegungsanimation
zeigt, die einen weitergehenden Informationsgehalt als eine flächige Abbildung
bietet.
Zum
Verständnis der vielfältigen Möglichkeiten der Materie kristalline Strukturen
aufzubauen, benutzen wir das Programm CRYSTAL. Es kann Ionen-, Atom-,
Molekülgitter und metallische Strukturen abbilden. Auch hier ist die farbige,
dreidimensional-bewegte Darstellung erheblich instruktiver als die meisten Lehrbuchzeichnungen.
Ich
halte aus der Sicht des Pharmazeutischen Chemikers einen Nutzen in solchen
Anwendungen für einleuchtend.
Wünschenswert
wäre, daß die Universitäten für die Beschaffung entsprechender
anspruchsvollerer Software mehr Geld zur Verfügung stellen. Als
"Nebeneffekt" werden die Studenten so an PC's herangeführt und können
ggf. später auf solche Erfahrungen aufbauen.
EDV
in der Studentenausbildung - "2.ter Teil"
Vor
einiger Zeit habe ich über unsere Bemühungen[3] berichtet, Visualisierungen
chemischer Strukturen am Personalcomputer in die Ausbildung der
Pharmaziestudenten zu integrieren.
Heute
möchte ich Ausbau und Fortführung dieses Experiments schildern. Dabei sind uns
einige günstige Faktoren zu Hilfe gekommen.
Zum
abgelaufenen Sommersemester hat die Universität Hamburg zum ersten Male den
neuen Curricular-Normwert angewendet und uns entsprechend der konstant
gebliebenen Zulassungszahl zusätzliche Mittel zugewiesen.
Auch
hatte sie studentische Hilfskraftmittel für die Betreuung von CIP-Pool Rechnern
im Rahmen eines 'Soforthilfeprogramms' des Senats bereitgestellt, von denen ich
drei Hilfskräfte für die Pharmazie einwerben konnte. Damit war ein wichtiger
Kritikpunkt der Studenten des Vorsemesters, (mangelnde Anleitung am Rechner),
beseitigt.
Durch
Umschichtung konnten dem ersten Fachsemester daher einige Veranstaltungen, wie
eigentlich von uns schon lange beabsichtigt, zusätzlich angeboten werden. Mein
Anteil war dabei eine "theoretische Einführung in allgemeiner und
anorganischer Chemie unter Einschluß von praktischen Übungen zur
Computersimulation".
Neben
dieser Veranstaltung haben dann die Studentischen Hilfskräfte noch betreute
Übungszeiten mit freier Beschäftigung mit den Programmen angeboten, die auch
angenommen wurden.
Auch
waren die von uns genutzten Programme CHEMICAL von Version 2.3 auf 3.1 und
CHEMVIEW von 1.6 auf 2.0 verbessert ('updated') und dabei wesentlich in ihrer
Leistungsfähigkeit erweitert und Unzulänglichkeiten der Vorversion beseitigt
worden.
Neu
aufnehmen konnten wir das Programm CRYSTAL, das in der Lage ist,
Kristallstrukturen am Rechner zu simulieren.
Um
die mit den Programmen möglichen Ergebnisse beispielhaft zu erläutern, möchte
ich die von mir in der Ausbildung benutzte Anwendung schildern. Sie scheint mir
für die Leistungsfähigkeit der Programme sehr aussagekräftig, da ich glaube,
daß in der Visualisierung chemischer Sachverhalte die Domäne dieser Programme
liegt.
Ein
immer wieder schwieriges Problem ist, Studenten, zumal Anfängern, klar zu
machen, wie groß der Unterschied zwischen dem realen Molekül und der
gewohnten, oft auch noch nachlässigen, (z.B. wird auf die Winkelung einer
Kohlenstoffkette meist keine Rücksicht genommen), Schreibweise auf dem Papier
ist. Dabei erweist sich, wie wir alle wissen, diese räumliche Gestalt
für die Wirkungen als Arzneistoffe oft als entscheidend.
Welcher
in dieser Betrachtungsweise ungeübte Betrachter einer gezeichneten Darstellung
z.B. des Morphins kann auf den ersten Blick erkennen, daß das Molekül fast
'kugelförmig' ist ?
Bevor
man sich jedoch derart komplexen Molekülen zuwendet, sollte man seine
Fähigkeiten zuerst an einfachen Modellen schulen. Dazu dienen unsrere
'Vorübungen'.
Gleichzeitig
sind damit auch Fragen wie z.B.:
'
Warum wird das Wassermolekül gewinkelt und nicht linear wie das Kohlendioxid
dargestellt ?' zu beantworten.
Ich
möchte das an mehreren Beispielen erläutern.
Aus
dem Seminar für das erste Fachsemester möchte ich die Besprechung des 'Modells
der elektrostatischen Valenzelektronenpaarabstoßung' = VSEPR ('valence shell
electron pair repulsion') anführen.
Die
Tabelle (Abb.1) zeigt Beispiele für lineare, trigonal-pyramidale,
tetraedrische, trigonal-bipyramidale und oktaedrische Anordnung zwischen einem
Zentralatom und seinen Bindungspartnern.
Das
Programm kann hier, wegen der Möglichkeit der dreidimensional - simulierten,
bewegten Darstellung sehr hilfreich sein. Mit ihm kann man die aus der Tabelle
zu entnehmende Anordnung der Atome, wie in den Beispielen Phosphorpentachlorid
(Abb.2) und Schwefelhexafluorid (Abb.3) dargestellt, anschaulich
machen.
In
gleicher Weise könnten auch Moleküle mit freien Elektronenpaaren betrachtet
werden. Besonders interessant ist dabei die resultierende Anordnung zwischen
dem 'Zentralatom' und seinen Bindungspartnern. Damit wird dann auch die Antwort
auf die Frage, warum Wasser gewinkelt vorliegt, 'sichtbar'.
Zum
Verständnis der vielfältigen Möglichkeiten der Materie kristalline Strukturen
aufzubauen, benutzen wir das Programm CRYSTAL. Es kann Ionen-, Atom-,
Molekülgitter und metallische Strukturen abbilden. Auch hier ist die farbige,
dreidimensional-bewegte Darstellung erheblich instruktiver als die meisten
Lehrbuchzeichnungen. Als Beispiele habe ich die 'klassischen' Gitter des NaCl
('Steinsalz') (Abb.4) und LaFeO3 ('Perowskit) (Abb.5)
ausgewählt.
Auch
zur Erläuterung von Sachverhalten in der Komplexchemie
können
Darstellungen wie Silberdiammin (Abb.6) und Cobalthexammin (Abb.7)
herangezogen werden.
Nach
meinem Eindruck machen solche Darstellungen die Theorien für Studenten viel
anschaulicher.
Weiterhin
setzen wir die Programme nach wie vor im dritten Fachsemester Pharmazie ein, um
Arzneistoffe, auch komplexerer Art, am Rechner erstellen zu lassen. (Wer
Interesse an den von unseren Studenten erstellten Arzneistoffen hat, sollte mir
schreiben.) In den Fällen, in denen die Struktur des Arzneistoffs bekannt ist,
bin ich immer wieder erstaunt, wie gut dieses Programm sie, mit seinen
implementierten einfachen chemischen Grundtatsachen, wiedergibt. Als ein
Beispiel für eine anspruchsvollere Verbindung, die von zwei Studentinnen (Frau
Rimke und Frau Timm) erstellt wurden, betrachte man das Chlortetracyclin (Abb.8)und
vergleiche mit Angaben in der Literatur[4]. Besonders die Existenz
jeweils einer 'hydrophoben' und 'hydrophilen' "Seite" des Moleküls
scheint mir recht anschaulich, wobei die Animation diesen Eindruck noch
verstärkt.
Die
von den Studenten wiederum erbetenen Kritiken zeigen beim dritten Fachsemester
eine sehr gut Akzeptanz des Angebotes.
Die
Betreuungsintensität wird jetzt als befriedigend bis gut bezeichnet. In der Regel
werden als Kritik nur 'noch leistungsfähigere' Programme, z.B. mit 'dithering'
(fließende Schattierung)gewünscht.
Das
erste Fachsemester hat sich in erheblich geringerer Zahl ('Neulingsfurcht'?)
geäußert. Gewünscht werden eine intensivere Einführung und mehr Zeit für die
Arbeiten am Rechner. Einige schlagen sogar vor, das Seminar vollständig mit dem
Computer zu gestalten.
Mir
scheint, daß die z.Zt. noch viel zu hohe Belastung der Studenten im erstem
Fachsemester mit Analysen und die neuen Erfahrungen des Studiums entscheidend
sind. Hier hoffe ich auf Entlastungen durch die neue Approbationsordnung, wenn
wir das Angebot im nächsten Semester fortsetzen.
Für
Interessenten an den Programmen:
Alle
drei Programme sind 'Shareware'. Nähere Informationen, die Bezugsquelle bzw. die Programme (drei
360 kB Disketten je 12,-DM, VR-Scheck) können bei mir angefordert werden.
Kurzvorstellung
der Programme
CHEMICAL
ist
ein 'molecular modeling' Programm für Personal Computer, um farbige, pseudo-räumlich
dargestellte Bilder von Molekülen zu erzeugen.
CHEMVIEW
ist
ein Unterprogramm von CHEMICAL, zeigt eine bewegte, dreidimensional -
simulierte Darstellung (Animation) der mit CHEMICAL erzeugten Moleküle.
CRYSTAL
erlaubt
es, Kristall- und Gitterstrukturen aus Ionen, Atomen und Molekülen zu erstellen
und animiert zu zeigen.
Die
Programme werden sehr gut 'gepflegt' und sind häufig erweitert worden. Ich
kenne z.B. CHEMICAL[5] seit Version 1.6, wenig
später erschien die verbesserte Version
2.3.
Die
z.Zt. aktuellen Versionen (vom
28.10.1988) sind :
CHEMICAL Version 3.1
CHEMVIEW Version 2.0
CRYSTAL Version 1.0
Die
ausführbaren "*.EXE" - Versionen dieser Programme sind Shareware
[6]
Deutsche Apotheker Zeitung 29, 1551 (1989)..
Als
PC - Sig Diskette # 938 gibt es CHEMICAL und CHEMVIEW mit einigen
Beispielmolekülen.
Für
eine Registrierung erwartet der Programmautor (Larry Puhl) einen Betrag
von 20 $. Als registrierter Anwender erhält man den Quellkode der Programme und
CRYSTAL. Zusätzlich werden weitere fertige Moleküle (als "*.
DAT" Dateien) und Kristallstrukturen (als "*.TXT" Dateien) auf
insgesammt drei 360 Kbyte Disketten mitgeliefert.
Updates für registrierte Anwender werden für 10 $ angeboten.
Als
Versandkostenanteil für Länder ausserhalb der USA werden 5 $, als Aufpreis für
3 ½ Zoll Disketten 2 $ berechnet.
Wer
Interesse an den Programmen[7] oder an den von unseren
Studenten erstellten Arzneistoffen hat, sollte mir schreiben.
Priv.Doz.Dr.
H.G. Schweim, Inst.f.Pharm.Chemie der Universität, Bundesstr. 45, 2000 Hamburg
13.
Sichtbare
Chemie am Personalcomputer
'Molecular
modeling ',
'computer aided drug design'[8]) und 'molecular design' sind
'Stichworte' in der modernen Chemie, insbesondere der Arzneimittelchemie.
Manchmal
werden solche Programme auch mit einem 'Mikroskop mit sehr großer Auflösung'1),
(mit dem Unterschied, daß hier Simulationen und nicht reale
Moleküle gezeigt werden), verglichen. In der Hoffnung, den immensen
Forschungsaufwand der Industrie neue Arzneistoffen zu entwickeln zu verringern
(z.Zt. betragen die Aufwendungen ca. 300 Mio DM je eingeführten Arzneistoff)
und die eingesetzten Mittel ökonomischer nutzen zu können, sind in allen großen
Arzneimittelfirmen aufwendige Grafik-Computer-Systeme mit teurer Software im
Einsatz. Man glaubt damit mittelfristig, sehr viele 'überflüssige' Synthesen,
da man die Eigenschaften des Moleküls hofft vorhersagen zu können, einzusparen.
Dazu werden z.B. Arzneistoffe mit verschiedenen Strukturen in den Rechner
eingegeben und miteinander verglichen, um gemeinsame Strukturmerkmale,
vergleichbare elektrische Potentiale der Oberflächen oder andere
Gemeinsamkeiten, die die Wirkung erklären könnten, zu ermitteln.
Moderne
Lehrbücher[9]) und Zeitschriften[10]) bilden zunehmend
entsprechende Bilder ab.
Noch
ist man allerdings erst in den Anfängen, auf diesem Wege Wirkstoffstrukturen
'vorherberechnen' zu können.
Das
liegt unter anderem daran, daß die Datenbasis, das heißt das Wissen um die
räumliche Struktur, die elektrostatischen Eigenschaften usw. sehr schwierig zu
ermitteln sind.
Auch
in der Hochschulforschung haben 'molecular modeling' -Systeme ihren festen
Platz, z.B. um das Wissen über die sogenannten 'Rezeptoren', das sind in
unserer Vorstellung die Stellen im Organismus, an die sich Arzneistoffe
anheften bevor sie ihre Wirkungen entfalten, zu untersuchen.
Personal
Computer jedoch leisten diese in der Forschung notwendige Arbeit (noch ?)
nicht, dafür braucht man Rechner wie die IBM 6150 und Programme wie
"MAD". (Beides steht in unserem Institut seit kurzem zur Verfügung.)
Noch
vor wenigen Jahren war eine derartige Entwicklung zum 'molecular modeling' und
zur 'computergestützen Syntheseplanung' nur für Spezialisten abzusehen.
Heute
bin ich überzeugt, wer in Zukunft in der Chemie, besonders in der
Arzneimittelforschung, tätig sein will, kommt nicht mehr ohne 'Computer -
Kenntnisse' aus. Der Computer wird in immer stärkeren Maße auch den Arbeitsplatz
des Chemikers und der verwandten Fächer beeinflussen.
Doch
ein altes chinesisches Sprichwort lautet :
' Auch
die weiteste Reise beginnt mit dem ersten Schritt '.
Und
für die 'weite Reise' in das faszinierende Gebiet des 'molecular modeling' können
diese Programme der erste Schritt sein.
Anwendungsbeispiele
Um
die mit den Programmen möglichen Ergebnisse zu erläutern, möchte ich einige
unserer Anwendungen schildern.
Es
handelt sich um Beispiele aus der Lehre, die ich in der Ausbildung der Pharmaziestudenten
erprobt habe.
Räumlichen Anordnung von Atomen in
Molekülen
Ein
immer wieder schwieriges Problem ist, Studenten, zumal Anfängern, klar zu
machen, wie groß der Unterschied zwischen der realen Gestalt eines
Moleküls und der gewohnten, meist auch noch nachlässigen, z.B. wird auf die
Winkelung einer Kohlenstoffkette meist keine Rücksicht genommen, Schreibweise
auf dem Papier ist. Dabei sind diese räumlichen Eigenschaften von Molekülen für
ihre Wirkungen als Arzneistoffe meist entscheidend.
Bevor
man sich jedoch komplexen Molekülen
zuwendet, solle man zuerst seine Fähigkeiten an einfachen Modellen schulen.
Zur
Erläuterung der räumlichen Anordnung von Atomen in Molekülen dient das
'Modell
der elektrostatischen Valenzelektronenpaarabstoßung'
(VSEPR-Modell von 'valence shell
electron pair repulsion').
Das
Programm CHEMICAL/CHEMVIEW ist hier, wegen der Möglichkeit der
dreidimensional-simulierten, bewegten Darstellung sehr hilfreich sein.
Man
kann man die molekulare Anordnung wie folgt anschaulich machen :
Bild
1: Kohlendioxid (linear)
Bild
2: Bortrifluorid (trigonal-planar)
Bild
3: Methan (tetraedrisch)
Bild
4: Phosphorpentachlorid (trigonal-bipyramidal)
Bild
5: Schwefelhexafluorid (oktaedrisch)
Komplexchemie
Vergleichbares
gilt auch für Moleküldarstellungen aus der Komlexchemie. Die Beispiele
Silberdiammin (Bild 8) und Kobalthexamin (Bild 9, Darstellung in der vorletzten
Version von CHEMICAL) scheinen mir für die Leistungsfähigkeit der Programme
sehr aussagekräftig, da ich glaube, daß in der Visualisierung komplexer
chemischer Sachverhalte die Domäne dieser Sharewareprogramme liegt.
Kristallstrukturen
Gleiches
gilt auch für die Darstellung von Kristallstrukturen, wie sie die das Programm CRYSTAL
darstellt.
Als
Beispiele für die Leistungsfähigkeit des Programms habe ich die Darstellungen
der bekannten Kristallgitter Steinsalz (Bild 6: NaCl) und Perowskit (Bild 7:
LaFeO3) ausgewählt.
Der
wahre Informationsgewinn liegt hier allerdings, wie auch in den meisten anderen
Fällen, in der animierten Darstellung.
Intermetalverbindungen,
Molekülgitter und Atomgitter sind besser am Rechner zu betrachten.
Des
weiteren möchte ich die Veranschaulichung von Wirkungsmechanismen von
Arzneistoffen schildern, eine Anwendung die man als, im Rahmen der
Möglichkeiten des Programms, Beispiel für recht niveauvollen Einsatz sehen
kann. Es liegt etwa auf dem Kenntnisniveau, das Absolventen des siebenten
Fachsemesters Pharmazie, also kurz vor dem Examen, haben oder zumindest haben
sollten.
Penicilline
Von
einigen Antibiotika, wie z.B. den ß- Lactamen, weiß man, daß sie in der Kaskade
der Zellwandbiosynthese (z.Zt. sind etwa dreißig beteiligte bakterielle Enzyme
bekannt), in den letzten verknüpfenden Schritt der Peptidoglycan - Synthese
eingreifen. Vermutlich wird die Transpeptidase durch die ß-Lactame mittels Acylierung
inaktiviert.
Gestützt
wird diese Annahme durch die im Modell oder in der Struktursimulation (Bild 10)
darstellbaren Konformationsähnlichkeiten zwischen dem, den ß-Lactamen zugrunde
liegenden Dipeptid aus D-Cystein und D-Valin (zwei Aminosäuren) und dem
eigentlichen Substrat der Transpeptidase, einem Peptid mit
D-Alanyl-D-alanin
- Teilstruktur als reaktivem Zentrum.
Die
im Grunde chemisch einfache Acylierungsreaktion wird hier durch eine von dem
antibiotikaproduzierenden Pilz (und heute auch vom Menschen partial- oder
vollsynthetisch) "geschickt" konstruierte Verbindung zur Erzielung
erwünschter biologischer Aktivität genutzt.
Cytostatica
Im
Jahre 1845 synthetisierte M. Peyrone cis-Diamin-dichloro-platin. Nachdem diese Substanz lange (wegen
des Vorliegens in der 'cis' - Form) nur von chemisch - theoretischem Interesse
war, wurde 1965 durch B. Rosenberg erkannt, daß man mit dieser Substanz
Krebschemotherapie (als Cisplatini zugelassen)
treiben kann. Seitdem haben 'Organoplatinverbindungen' eine stürmische
Entwicklung genommen und sind in vielen Fällen in der Krebstherapie hilfreich,
wenn damit auch der Krebs noch nicht als 'besiegt' gelten kann.
Der
Mechanismus der Wirkung kann als weitgehend geklärt bezeichnet werden. Das
Cisplatini selbst ist als Transportform anzusehen. In Abhängigkeit
von der Chloridionenkonzentration im Gewebe bzw. der Körperflüssigkeit wird aus
Cisplatini der 2+ geladene diaqua- diammin- Komplex, der
als Wirkform anzusprechen ist. Durch Reaktion mit nucleophilen Gruppen der DNA,
unter Ausbildung von kovalenten Bindungen, ergibt sich eine Vernetzung der DNA
- Stränge, was eine weiter Reduplikation der Erbsubstanz und damit eine weitere
Vermehrung der Zelle verhindert. Damit ist, im Idealfalle, das weitere
Krebswachstum gestoppt.
Um
wie beschrieben wirken zu können, muß sich die Wirkform quasi zwischen die DNA
- Stränge (der Abstand zwischen den Basenpaaren beträgt ca. 300 pm) 'drängeln'
können. Das ist für so große Atome wie Platin auf den ersten Blick schwer
vorstellbar. CHEMICAL/CHEMVIEW zeigen jedoch beim Bau der Moleküle
eindrucksvoll die Änderung der Molekülgröße zwischen Transport- und Wirkform
und machen so den geschilderten Sachverhalt viel anschaulicher. (Das Beispiel
vereinfacht den Sachverhalt sehr, da es theoretische Werte mit realen Molekülen
gleichsetzt. Das didaktische Ziel wird allerdings erreicht.)
Organische
Arzneistoffe
Weiterhin
setzen wir die Programme im dritten Fachsemester Pharmazie (Semesterziel:
Herstellung organischer Präparate) ein, um Arzneistoffe, auch komplexerer Art,
am Rechner erstellen zu lassen. In den Fällen, in denen mir eine
Röntgenstrukturanalyse des Arzneistoffes bekannt ist, bin ich immer wieder
erstaunt, wie dicht dieses Programm mit seinen im Grunde einfachen
implementierten chemischen Grundtatsachen die Struktur wiedergibt. Beispiele
aus diesen Anwendungen stellen die Bilder 12 - 15 dar.
[1]. H.G.Schweim, Deutsche Apotheker
Ztg. 8, 365 (1989)
[2] H.G.Schweim, Deutsche Apotheker
Zeitung, 29, 1551 (1989)
[3]. H.G.Schweim, Deutsche Apotheker
Ztg. 8, 365 (1989)
[4]. z.B.: Roth/Fenner,
"Pharmazeutische Chemie III, Arzneistoffe", G.Thieme Verlag
Stuttgart 1988 S.39 ff.
[5]
H.G.Schweim, " EDV in der Studentenausbildung - Beitrag der Pharmazeutischen Chemie ? "Deutsche Apotheker Zeitung 8, 365-366 (1989).
[6]H.G.Schweim, " EDV in der
Studentenausbildung ",
[7]H.G.Schweim, " CHEMICAL " -
Sichtbare Chemie auf dem PC Taschenbuch für den Systhema Verlag München ISBN 3-89390-136-1
(Erscheinungstermin ca. Feb. 1990).
[8] H.-D. Höltje, Deutsche Apotheker
Ztg. 37, 1899 (1986)
[9] H.J.Roth u. H.Fenner,
'Arzneistoffe', Thieme Verlag 1988
[10] z.B. 'Pharmazie in unserer Zeit', 6
(1988), Verlag Chemie